Erinnerung

So beging eine Ulmer Familie vor dem 1. Weltkrieg (ca. 1912) diesen Ulmer Festtag:

 

Schwörmontag in der Au

- von Anny Breymeyer für alle ihre Geschwister aufgeschrieben

 

Dieses Ulmer Nationalfest, das alljährlich am ersten Montag im August in der Friedrichsau abgehalten wurde, hat einen ganz bedeutenden Platz in meiner Kindheitserinnerung. Konnte es für ein kindliches Gemüt etwas Schöneres geben, als die mit Tausend- und Abertausend farbigen Lichtern geschmückten Gesellschaftsgärten in der Au? Der Ausee war mit strahlenden Lichterketten umsäumt und der Springbrunnen im hinteren Teil des Sees aus unsichtbaren Lichtquellen angestrahlt, so dass es aussah, als ob das Wasser in regenbogenfarbenen Kaskaden herunterstürtzt. Die Beleuchtung war natürlich erst abends.

Mutter und wir Kinder zogen schon am frühen Nachmittag los. Vater kam nach Ladenschluß. Die Mutter hatte bereits schon am Vormittag alle Vorbereitungen getroffen. Ein ganzer Berg Brote war vorsorglich in einer großen Blechdose verstaut, die einen kunstvoll genähten Überzug mit einem roten Tragegriff hatte... Traditionsgemäß musste mein Bruder die Fressalienbüche tragen. Weil er es unter seiner Würde hielt, als Schüler, der bereits die Klassenmütze trägt, kam es deshalb jedes Mal zu einem lautstarken Protest. Doch es nützte ihm nichts. Den Töchtern in weißen, gestärkten Kleidern mit farbigen Seidenschärpen und weißen Halbhandschuhen war nicht zuzumuten, sich mit dem Proviant abzuschleppen...

Der Weg, an der Hauptwache vorbei, über den Marktplatz mit dem Denkmal Kaiser Wilhelms I. und am Grünen Hof entlang, die Adlerbastei, wo im Jahr 1811 Schneider Berblinger das Fliegen probierte, hinunter; vorbei an der Pionierkaserne und der Gänswiese, wo heute das Stadion steht, vollends die Allee hinab, zum Eingang in die Au, steigerte unsere Vorfreude.

In der großen Halle, wo sonst der Männerchor sang, waren am Schwörmontag eine stattliche Anzahl Musiker versammelt, die das Publikum zu unterhalten hatten. Man nahm bei Freunden und Bekannten Platz unter den schattenspendenden Bäumen. Das Bier und die Limonade wurden an der Schenke ausgegeben. Für das Herbeischleppen der vollen Maßkrüge habe ich von den trinkfreudigen, durstigen Sangesbrüdern meines Vaters manches "Fünferle" verdient. Auch in der Kegelbahn habe ich, wenn gerade kein Bub in der Nähe war, zuweilen die Kegel aufgestellt und dafür ein paar Pfennige erhalten. Die Kleinen und Karle mussten innerhalb des Gartens bleiben. Den Großen war gestattet, sich auch außerhalb des Gesellschaftsgartens zu bewegen. Da konnte man die anderen Gärten besuchen und Schulfreundinnen treffen, mit denen man zusammen die Köstlichkeiten, die an einer langen Reihe von Verkaufstischen entlang des Dianahügels feilgeboten wurden, bestaunte.

Wenn ich sehr unternehmungslustig war und dabei noch jemand gefunden hatte, der mitmachte, fuhr ich mit der Fähre über die Donau auf das bayerische Ufer hinüber. Da kam ich mir dann vor, wie eine kleine Weltreisende. Neben mir die alte, historische Trassmühle, flussabwärts der Weg in den damals sehr beliebten und vielbesuchten Ausflugsort "zum Steinhäule", vor mir Neu-Ulm und etwas im Hintergurnd die damals noch kleinen Ortschaften Offenhausen und Pfuhl. Donauaufwärts am hellen, sommerlichen Abendhimmel die schöne Silhouette meiner geliebten Heimatstadt mit dem alles überragenden Münster. Dazu klangen verwehte Fetzen der Musik aus der nahen Friedrichsau herüber, das Rauschen der zu jener Zeit noch nicht gestauten Donau, das Plätschern der anlegenden und abfahrenden Donaufähre. All diese akustischen Eindrücke gehören irgendwie zum beglückenden Schwömontagserlebnis meiner Kindheit.

Wieder im Gesellschaftsgarten angekommen, musste ich nach meinen Geschwistern fahnden, damit man sich auf den Heimweg machen konnte. Karle fand ich im Musikpavillon bei der großen Trommel und der Bassgeige. Luise hatte die Zwillinge an der Kegelbahn aufgegabelt, wo sich unsere Schwester Mina intensiv damit beschäftigte, die abgestandenen Reste von Bier in den noch herumstehenden Bierkrügen vollends auszutrinken.

Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen. Nun wurden die Lampions angezündet, Karle hatte natürlich den Schönsten und Größten von allen, einen riesigen Mond, und der Heimweg angetreten. Manchmal brannte ein Lampion lichterloh, wenn man eine ungestüme Bewegung macht oder müde des Wegs dahintrottete und nicht aufpasste. Es war ein zauberhafter Anblick, diese vielen, vielen bunten Lichtlein, wie sie gleichsam von der schwarzen Dunkelheit verschluckt wurden.

Einstimmig lautete unser Urteil: Das war seit langem der schönste Schwörmontag!!!

In dem Bild von Robert Weber, ein in den 70er Jahren verstorbenes Mitglied der Ulmer Künstergilde, sind die Erinnerung von Anny Breymeyer wunderbar zu erleben.

Biber-Alarm

Biberarbeit in der Friedrichsau

Die Biberplage in der Friedrichsau hat inzwischen bedrohliche Ausmaße angenommen. Erste große Sanierungsarbeiten wurden jetzt am Oberen Ausee durchgeführt. Mehr dazu lesen Sie unter www.swp.de/biber

 

Mehr daüber erfahren Sie auf der Homepage unter: Biber-Alarm

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Viele spannende und unterhaltsame Geschichten bilden ein außergewöhnliches Stadtporträt. Auch die Friedrichsau kommt dabei nicht zu kurz.